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3.1 Erläutern Sie den Stellenwert der Aufsichtspflicht.
Die Aufsichtspflicht ist nur eine Nebenpflicht! Es ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen Erziehungszielen (wie z.B. Selbstständigkeit) und Aufsichtspflicht (Schutzgedanke), da diese sich gegenüberstehen. Es gilt aber: Erziehung ist oberste Pflicht der Fachkraft,, d.h. so viel Freiraum wie möglich, so wenig Aufsicht wie nötig. Kinder müssen auch lernen mit Gefahren umzugehen, dies geht nur, indem man sie damit konfrontiert und Risiken eingeht.
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3.2 Legen Sie die Schritte der Aufsichtsführung dar.
* Pflicht zur Information: sich selbst über Örtlichkeiten informieren, Team informieren, ggf. warnen, Eltern gegenüber
* Pflicht zur Erziehung: Ge- und Verbote aussprechen (Regeln!), erinnern
* Pflicht zur Kontrolle: Überwachen und Kontrollieren der Regeln
* Pflicht zum Eingreifen: Handeln (Verhindern der schadensbringenden Handlung, notfalls durch Zwangsmaßnahmen
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3.3 Erklären Sie, wann die vertragliche Aufsichtspflicht allgemein beginnt und endet.
- Beginn und Ende ist entweder
- * konkret im Betreuungsvertrag geregelt: bei Betreten/Verlassen der Einrichtung, oder wenn Kind alleine kommt/geht
* oder: bei Übergabe, wenn Kind mit Eltern kommt/geht
* oder: es gilt das, was stillschweigend zwischen den Parteien aus Sicht eines objektiven Dritten als vereinbart angesehen werden darf
* oder: wenn ein Kind erkennbar in den Einflussbereich der Fachkraft gekommen ist (die Fachkraft muss dies aber bemerkt haben)
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3.4 Unterscheiden Sie mögliche Haftungsfolgen, die für einen Erzieher durch eine Aufsichtspflichtverletzung entstehen können.
- * Strafrechtliche Folgen: Ermittlung eingeleitet durch Staatsanwaltschaft bei fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung;
- Folgen: Geldbuße, Freiheitsstrafen, evtl. Berufsverbot
- * Zivilrechtlichen Folgen: eingeleitet durch Geschädigte*n oder dessen gesetzliche Vertreter; bei Personen-, Sach- oder Vermögensschäden;
- Folgen: nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit muss Schadensersatz oder Schmerzensgeld gezahlt werden
- * Arbeitsrechtlichen Folgen: vom Arbeitgeber eingeleitet; bereits bei Verstoß gegen Aufsichtspflicht möglich (kein Schaden notwendig):
- Folgen: Belehrung, Abmahnung, Kündigung
* alle drei Folgen können nebenher/parallel einhergehen!
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3.5 Erklären Sie den Begriff „Auswahlverantwortung“.
Auswahlverantwortung bedeutet, dass eine Fachkraft bei der Delegation der Aufsichtspflicht genau darauf achten muss, ob die Personen, welche die Aufsichtspflicht übernehmen, auch dazu in der Lage sind.
Kriterien: Alter, pers. Reife, Charaktereigenschaften, bisherige Erfahrungen, Ausbildung, Beziehung zu den Aufsichtsbedürftigen, Art der Personen und Tätigkeit (Schwierigkeitsgrad)
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3.6 Erklären Sie den Begriff „Delegationshaftung“.
Delegationshaftung bedeutet, dass sich eine sozialpädagogische Fachkraft nicht immer nur auf die Delegation berufen kann. Rechtswidrige oder fahrlässige Anweisungen dürfen nicht befolgt werden. Bei Bedenken sollten Sie diese frühzeitig äußern und ggf. die Anweisung nicht ausführen.
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3.7 Die Mutter der kleinen Lara, 4 Jahre ruft im Kindergarten an und bittet, dass das Mädchen heute ausnahmsweise von der Nachbarin abholt wird, da die Mutter erkrankt ist. Die Nachbarin ist vertraglich jedoch nicht abholberechtigt. Geben Sie ihr das Kind mit?
- * generell nein, da die Person nicht abholberechtigt ist
- * Beim Telefonat Zeug*innen (z. B. Kolleg*in) mithören lassen
- * beim Abholen Ausweis zeigen lassen
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3.8 Die Mutter eines Mädchens, zwei Jahre, kommt um ihre Tochter von der Krippe abzuholen. Dabei fällt der Erzieherin auf, dass die Mutter offensichtlich stark angetrunken ist! Was tun Sie?
* Wohl des Kindes offensichtlich gefährdet
* unter keinen Umständen das Kind in die Hände der Mutter geben
* Mutter hat in diesem Zustand keinen Anspruch auf ihr Kind
* Lösungen: z. B. anderen Elternteil verständigen oder andere abholberechtigte Personen kontaktieren, notfalls Jugendamt oder Polizei einschalten
* Wichtig: Sie müssen sich selbst nicht in Gefahr bringen!
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3.9 Jonas ist Erzieher in einem Kinderhort. Nach der Hausaufgabenzeit möchten drei Jungen, 7, 8 und 10 Jahre, auf den Abenteuerspielplatz ganz in der Nähe spielen gehen. Erlauben Sie das?
Generell ja, Kinder brauchen Freiräume (Erziehungsziel Selbstständigkeit), aber mit Kindern Regeln aufstellen und diese auch kontrollieren! Nein, wenn Kind sehr „auffällig“, entsprechende Vorerfahrungen da sind.
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3.10 Im Hort kommt es zum Streit. Mia, neun Jahre, fühlt sich ungerecht behandelt und haut einfach ab. Wie reagieren Sie?
Eltern informieren,
wenn möglich suchen, aber Erzieher ist dazu nicht verpflichtet, denn sonst wären die anderen Kinder womöglich ohne Aufsicht (ansonsten Gefährdung eher gering, daher erstmal keine Polizei)
Kind müsste sicher im Straßenverkehr sein; ist „normal“ auch alleine unterwegs, ggf. zusammen mit den anderen Kindern suchen
Läuft Kind nach Hause, so gilt der Versicherungsschutz durch die gesetzliche UV (Wegeunfall); läuft das Kind wo anders hin, gilt das gleiche, denn das Kind verlässt Einrichtung unerlaubt und man behandelt dies vor Gericht so, als wäre das Kind immer noch trotzdem anwesend (wäre es laut Betreuungsvertrag ja auch, Kita kann kein Hochsicherheitstrakt sein)
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3.11 Im Kindergarten fehlt plötzlich der kleine Jan, vier Jahre alt. Was tun Sie?
Kind suchen (wenn möglich, Kollegen mit einbeziehen)
Polizei informieren, da akute Gefährdung (Verkehrssicherheit Straßenverkehr!)
Eltern informieren
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3.12 Im Kiga schlägt Lisa (4 Jahre) Anna (6 Jahre) die Brille von der Nase. Diese ist nun kaputt. Die Eltern beschuldigen die Erzieherin, dass sie die Aufsichtspflicht verletzt habe und fordern nun den Ersatz der Brille. Wer haftet für den Schaden?
Brille war zum Tatzeitpunkt ein „getragenes“ medizinisches Hilfsmittel. Daher ist von einem „Personenschaden“ auszugehen. Die gesetzliche Unfallversicherung haftet.
Auch bei Aufsichtspflichtverletzung haftet die Erzieherin hier nicht.
Lisa/Eltern haften ebenfalls nicht (bei Personenschäden haften Kinder untereinander nicht!)
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3.13 Der Erzieher fährt mit einer Jugendgruppe zum Schwimmen an den See. Auf seine Frage, ob alle schwimmen können, antworten alle Kinder mit „ja“. Doch plötzlich droht der 15jährige Thomas beinahe zu ertrinken, da er aus Scham vor den anderen gelogen hatte. Hat der Erzieher die Aufsichtspflicht verletzt?
Ja, nur mündlich die Kinder fragen reicht hier nicht aus.
Schriftliche Einverständniserklärung der Eltern ist nötig. Erzieher wissen über die Mechanismen des Gruppendrucks man kann erwarten, dass das Kind hier nicht die Wahrheit sagt.
Da aber kein Schaden eingetreten ist, hat der Erzieher schlimmstenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen zu erwarten
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