Übungsfälle 1

  1. 1. Annette Henrichs sucht ihren Zahnarzt Dr. Hennemann auf, um verschiedene Behandlungen durchführen zu lassen. Da sie wegen ihres sehr hohen Einkommens nicht gesetzlich krankenversichert ist, erhält sie am 13.03.2021, dem letzten
    Behandlungstag, eine Privatrechnung von Dr. Hennemann ausgehändigt. Diese Rechnung weist neben der Rechnungsnummer und den übrigen erforderlichen
    Angaben einen Betrag in Höhe von 2.200,-- € aus und enthält die Formulierung: „Ihrer baldigen Zahlung sehe ich freudig entgegen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass
    Sie gemäß § 286 Abs. 3 BGB spätestens 30 Tage nach Erhalt dieser Rechnung automatisch in Verzug geraten“. Am 02.04.2021 erhält Annette Henrichs eine Mahnung von Dr. Hennemann, in der unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die
    Rechnung vom 13.03.2021 „unverzügliche Zahlung“ gefordert wird. Annette Henrichs zahlt den Rechnungsbetrag am 10.04.2021. Befindet sie sich zu diesem Zeitpunkt im
    Schuldnerverzug?
    • 1. Ja; Annette Henrichs ist seit Zugang des Schreibens in Schuldnerverzug, da sie mit dem Schreiben gemahnt worden ist (§ 286 Abs. 1 BGB). Der Hinweis in der Rechnung auf den „automatischen Verzug“ nach 30 Tagen ist korrekt; § 286 Abs. 3
    • BGB besagt aber gerade nicht, dass der Schuldner erst nach 30 Tagen in Verzug gerät. Vielmehr bestimmt die Vorschrift, dass der Schuldner spätestens nach 30 Tagen in Verzug gerät. Das bedeutet zwingend, dass auch ein früherer Verzugseintritt möglich ist. Hier entsteht der Verzug früher auf der Grundlage von § 286 Abs. 1 BGB, weil der Anspruch mangels anderweitiger Absprachen sofort fällig war (§ 271 BGB).
  2. 2. Entscheiden Sie in den nachfolgenden Fällen, um welche Vertragsart des BGB es sich handelt:
    a. Tilman Ranz lässt seinen alten PKW "Horch" in einer Werkstatt reparieren;hierfür zahlt er insgesamt 525,-- €.
    b. Während der Dauer der Reparatur nimmt er sich beim „Autoverleih Wagner“ einen Ersatzwagen; hierfür hat er 422,-- € zu zahlen.
    c. Als ihm auf einer längeren Fahrt das Benzin ausgeht, erhält von der ihm zufällig begegnenden Sabine Lautenschläger auf seine Bitte hin eine Kanisterfüllung Benzin, um die Strecke bis zur nächsten Tankstelle zurücklegen zu können. Er verspricht Rückgabe am nächsten Tag.
    • 2.
    • a) Es handelt sich um einen Werkvertrag nach § 631 BGB, da ein Erfolg geschuldet wird.
    • b) Es liegt ein Mietvertrag (§ 535 BGB) vor, weil eine Sache (PKW) gegen Entgelt zum Gebrauch überlassen wird. Die Bezeichnung des Unternehmens als „Autoverleih“ ist unerheblich, da Inhalt einer Willenserklärung das erkennbar Gewollte ist.
    • c) Es handelt sich um einen Sachdarlehensvertrag (§ 607 BGB), da das zur Verfügung gestellte Benzin nicht zurückgegeben werden kann und soll, Tilman Ranz aber dazu verpflichtet ist, gleichwertiges Benzin in gleicher Menge zurückzugeben.
  3. 3. Monika Georghiu eröffnet in Essen eine große Buchhandlung in einem Geschäftshaus in bester Innenstadtlage. Sie beschäftigt insgesamt 16 Mitarbeiter. Zum Prokuristen ernennt sie am 04.02.2021 mittels mündlicher Erklärung Josef Küppers; dessen Eintragung in das Handelsregister unterbleibt allerdings
    versehentlich. Am 11.02.2021 kauft Josef Küppers im Namen von Monika Georghiu mit notariell beurkundetem Kaufvertrag von Sabine Ranz ein Grundstück in Essen, um das Geschäft bei Bedarf erweitern zu können, obwohl Monika Georghiu ihm den
    Kauf von Grundstücken ausdrücklich verboten hatte. Der Kaufpreis beläuft sich auf 940.000,-- €; da das Grundstück allerdings vor drei Jahren von Sabine Ranz mit einer
    Grundschuld über 340.000,-- € zu Gunsten der Deutschen Bank belastet worden ist, enthält der Kaufvertrag eine Klausel, wonach die Grundschuld weiterhin bestehen bleibt und dafür nur ein Betrag in Höhe von 600.000,-- an Sabine Ranz gezahlt
    werden soll. Wie ist die Wirksamkeit dieses Kaufvertrages zu beurteilen?
    • Der Kaufvertrag ist wirksam. Die Prokura wurde wirksam erteilt; ein Formerfordernis besteht nicht (§ 48 HGB). Die Handelsregistereintragung wirkt nur deklaratorisch
    • (§ 53 Abs. 1 HGB). Verbote schränken die Vertretungsmacht nicht ein (§ 50 HGB). Die Prokura ermächtigt auch zum Erwerb von Grundstücken; lediglich die Veräußerung und Belastung von Grundstücken erfordert eine gesonderte Erlaubnis (§ 49 Abs. 2 HGB). Hier wird aber kein Grundstück belastet, vielmehr wird ein
    • Grundstück erworben, das bereits belastet ist.
  4. 4. Tobias Martin, Meike Klamroth und Josef Küppers gründen im Jahr 2009 eine oHG, deren Gesellschaftszweck im Handel mit Büromöbeln besteht. Nach Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern scheidet Tobias Martin aufgrund einvernehmlicher
    Regelung mit den beiden anderen Gesellschaftern zum 31.07.2017 aus. Sein Ausscheiden wird am 12.09.2017 in das Handelsregister eingetragen und ordnungsgemäß bekanntgemacht. Annette Planken verlangt im April 2021 von Tobias Martin Zahlung von 7.500,-- € rückständiger Miete für die Geschäftsräumlichkeiten, in denen die oHG ihren Handel betreibt. Der Mietvertrag, der eine monatliche Zahlungspflicht in Höhe von 3.750,-- € begründet, stammt vom 01.10.2011; die
    Monatsmieten für März und April 2021, die vereinbarungsgemäß jeweils bis zum letzten Bankarbeitstag des Vormonats zu zahlen waren, sind wegen einer finanziell angespannten Lage der Gesellschaft noch nicht gezahlt worden. Ist Tobias Martin zur
    Zahlung verpflichtet?
    • Tobias Martin ist gemäß § 128 HGB iVm § 535 BGB zur Zahlung der rückständigen Miete verpflichtet. Gemäß § 128 HGB haftet ein Gesellschafter der oHG für Verbindlichkeiten der oHG. Die oHG ist aufgrund des Mietvertrages zur Zahlung verpflichtet. Das Ausscheiden von Tobias Martin ändert daran nichts, da die Verpflichtung zur Mietzahlung durch Abschluss des Mietvertrages entstanden ist. Als dieser Vertrag geschlossen wurde, war Tobias Martin noch Gesellschafter. Die hier erhobenen Forderungen sind nur erst nach der Eintragung seines Ausscheidens fällig
    • geworden, doch stellt § 128 HGB gerade nicht auf die Fälligkeit ab. (Anmerkung: ZurEntlastung ausgeschiedener Gesellschafter ist § 160 HGB in das Gesetz aufgenommen worden, der die Haftung ausgeschiedener Gesellschafter auf Verpflichtungen der oHG begrenzt, die innerhalb von fünf Jahren seit der Eintragung
    • des Ausscheidens fällig werden. Die fünf Jahre sind aber hier noch nicht abgelaufen. Des weiteren verlangt § 160 Abs. 1 und 2 HGB zwar, dass Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter in der Form des § 197 Abs. 1 Nr. 3 – 5 BGB geltend gemacht oder von diesem schriftlich anerkannt werden. Das schließt aber die grundsätzliche Haftung nicht aus, da die Entscheidung über die entsprechende Geltendmachung bzw. die Anforderung eines schriftlichen Anerkenntnisses allein vom
    • Willen der Gläubigerin abhängt.)
  5. 5. Jana Simunic und Frank Förster gründen eine GmbH. Die Einlagen sollen gleich sein; mehr als das gesetzliche Mindestkapital soll nicht aufgebracht werden. Nach
    notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrages leisten beide jeweils eine Einlage in Höhe von 6.250,-- € auf das Geschäftskonto der GmbH. Kann die Gesellschaft in
    das Handelsregister eingetragen werden?
    Ja; die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals wurde eingezahlt. Jeder Gesellschafter hat (mehr als) ¼ seiner Einlage geleistet (§ 7 GmbHG)
  6. 6. Wie hoch ist nach der im vorstehenden Fall beschriebenen teilweisen Einzahlung der Einlagen das Vermögen der Gesellschaft?
    • Das Vermögen beträgt 25.000,-- €. Dass erst 12.500,-- € eingezahlt worden sind, ändert daran nichts, da die ausstehenden Einlagen als Forderungen der GmbH
    • ebenfalls zum Vermögen gehören.
  7. 7. Annette und Josef Planken schließen am 12.01.2021 einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Planken & Planken GmbH. Die Einlagen der Gesellschafter sollen jeweils 12.500,-- € betragen; sie werden am 24.01.2021 in voller
    Höhe eingezahlt. Der Eintragungsantrag beim Handelsregister wird am 26.01.2021 gestellt. Gesellschaftszweck soll der Internethandel mit Tonträgern sein. Als Geschäftsführer ist Sebastian Frenken, ein gemeinsamer Freund der Gesellschafter,
    vorgesehen. Die Tätigkeit der GmbH soll am 01.02.2021 aufgenommen werden. Am 28.01.2021 bestellt Sebastian Frenken, handelnd als „Geschäftsführer der Planken &
    Planken GmbH i. Gr.“, mit ausdrücklicher Zustimmung der Gesellschafter bei der Woltering oHG Werbematerialien für insgesamt 12.000,-- € sowie beim Großhändler Bergmann Tonträger für 16.000,-- €, die verkauft werden sollen. Während Bergmann auf Vorkasse besteht, liefert die Woltering oHG das bestellte Material mit einem Zahlungsziel bis zum 28.02.2021. Die GmbH wird am 04.02.2021 in das Handelsregister eingetragen. Die Geschäfte laufen jedoch schlecht. In den ersten drei Wochen gelingen so gut wie keine Verkäufe. Aus Angst vor einer persönlichen Inanspruchnahme stellen die Gesellschafter am 26.02.2021 Insolvenzantrag über das Vermögen der GmbH und stellen jede Geschäftstätigkeit en. Aufgrund der Zahlung an
    Bergmann kann die Forderung der Woltering oHG nicht in vollem Umfang erfüllt werden. Diese verlangt nunmehr von Sebastian Frenken persönlich Zahlung des nicht erfüllten Teils ihrer Forderung. Ist Sebastian Frenken zur Zahlung verpflichtet?
    • Nein; eine Zahlungspflicht besteht nicht. Er ist nicht selbst Vertragspartei geworden; vielmehr hat er zu erkennen gegeben, dass er für die GmbH i. Gr. handelt. Ein Anspruch aus § 128 HGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Als der Vertrag
    • geschlossen wurde, war allerdings die GmbH noch nicht in das Handelsregister eingetragen, so dass sie wegen der konstitutiven Wirkung der Eintragung noch nicht existierte. Es handelte sich daher um eine GbR, also eine Gesellschaft, bei der die
    • Gesellschafter einen gemeinsamen Zweck verfolgen, der allerdings nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Hier bestand der gemeinsame Zweck darin, dass
    • eine GmbH entstehen sollte. Für Verbindlichkeiten einer GbR haften in entsprechender Anwendung des § 128 HGB alle Gesellschafter; da aber Sebastian Frenken kein Gesellschafter war, lässt sich auch mit § 128 HGB keine Haftung für ihn
    • begründen. Schließlich kommt noch eine Haftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht. R hat für die GmbH gehandelt, als diese noch nicht existierte. Dies spricht für seine Haftung. Allerdings besteht der Sinn des § 11 Abs. 2 GmbHG darin, dass
    • Gläubiger keine Nachteile erleiden, wenn der Geschäftsführer einer noch gar nicht existierenden GmbH für diese tätig wird und die GmbH zu keiner Zeit entsteht. Der Sinn des § 11 Abs. 2 GmbHG besteht aber nicht darin, dass Gläubiger von
    • Verzögerungen bei der Handelsregistereintragung profitieren. Die Woltering oHG wollte von vornherein einen Vertrag mit einer GmbH schließen, bei dem eine persönliche Haftung des Geschäftsführers nicht in Betracht kommt. Wäre der Vertrag
    • unmittelbar nach der Handelsregistereintragung geschlossen worden, hätte ebenfalls kein Anspruch gegen Sebastian Frenken bestanden. Der vorzeitige Vertragsschluss kann nichts daran ändern, dass dem Gläubiger bei Verträgen mit einer GmbH
    • bewusst sein muss, dass eine persönliche Haftung seiner Ansprechpartner ausgeschlossen ist. Mit Eintragung der GmbH in das Handelsregister gehen damit „automatisch“ auf die jetzt bestehende GmbH über.
Author
huatieulans
ID
362303
Card Set
Übungsfälle 1
Description
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